Oberhöchstadt, Januar 1902: Elektrischer Strom? Fehlanzeige. Fließendes Wasser? Nur, wenn der Bach nicht zugefroren war. Aber Humor? Davon hatten die Oberhöchstädter reichlich. Und so beschlossen ein paar Bauern und Handwerker: „Wir gründen einen Karnevalverein!“
Der Name war schnell gefunden: „Wau-Wau“. Warum ausgerechnet so? Das weiß heute keiner mehr. Vielleicht war es eine Mode? Vielleicht ein Kneipengag? Sicher ist nur: kein Hund hat darüber Protokoll geführt.
Klein, aber oho! So zogen die ersten Fastnachtsumzüge durch Oberhöchstadt. Mal mit bissigen Reimen, mal mit spitzen Seitenhieben gegen die Politik. 1911, als endlich das elektrische Licht im Ort ankam, reimte man scharfzüngig:
„Das elektrisch’ Licht bekommt Ihr nicht,
weil Petroleum noch zu billig ist.“
Zu den prägenden Köpfen dieser Zeit gehörten Jakob Velte, Peter Schreibweis, Johann Kopp und Peter Hildmann. Männer, die den Mut hatten, Humor auch in schwierigen Zeiten auf die Straße zu bringen. Doch dann kam der Erste Weltkrieg und die Fastnacht musste verstummen.
Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte langsam wieder Leben in die Fastnacht zurück. Zunächst stand Christian Henritzi für ein Jahr an der Spitze. Danach übernahmen Heinrich Fuchs als 1. Vorsitzender und Friedrich Ungeheuer als sein Stellvertreter. An ihrer Seite wirkten Johann Limbach als Kassierer und Georg Löhr als Schriftführer.
Trotz harter Zeiten Inflation, Wirtschaftskrise und knappen Kassen hielten sie den Verein am Laufen. Sitzungen, Umzüge und Bälle wurden organisiert, auch wenn nicht immer alle Mitglieder begeistert mitzogen. Wer beim Umzug fehlte, zahlte Strafe. So konnte man sicherstellen, dass wenigstens die Kasse stimmte, wenn schon die Welt drumherum wackelte.
Diese Epoche war kein leichter Tanz auf Rosen, eher ein Balanceakt zwischen Spaß und Sorgen und doch sorgten Fuchs, Ungeheuer und ihre Mitstreiter dafür, dass die Fastnacht in Oberhöchstadt nicht unterging.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten blieb auch die Fastnacht in Oberhöchstadt nicht unberührt. Der Verein wurde gleichgeschaltet, der Vorstand hieß nun „Führerstab“ und der Vorsitzende „Führer“.
Heinrich Fuchs blieb im Amt, unterstützt von Friedrich Ungeheuer als Stellvertreter. Doch aus der fröhlichen Fastnacht wurde ein kontrolliertes Spektakel: Büttenreden durften keine Spitzen mehr enthalten, Humor sollte gefälligst systemtreu sein. Statt bunter Sitzungen gab es nüchterne Maskenbälle.
1939 zog noch einmal ein Umzug durchs Dorf, dann kam der Krieg. 1941 traf man sich ein letztes Mal zur Versammlung, danach verstummte die Fastnacht in Oberhöchstadt vollständig.
Am 14. Januar 1952 war es endlich soweit: Der Verein erhob sich aus der Nachkriegspause und wurde offiziell als Karnevalverein 1902 Oberhöchstadt e.V. wiedergegründet. An der Spitze stand Heinrich Weis als 1. Vorsitzender, ihm zur Seite Emil Jäger als 2. Vorsitzender. Für Ordnung in den Protokollen sorgte Otto Neidhardt als Schriftführer, während Wilhelm Hönig die Kasse im Griff behielt.
Eine Neuerung mit Signalwirkung: Von nun an durften auch Frauen Mitglied werden. Ein großer Schritt, der das Vereinsleben bereicherte. Schon bald folgten die ersten Sitzungen und Bälle, die Oberhöchstadt wieder närrisch machten.
1954 übernahm Gottfried Reiter den Vorsitz, unterstützt von Anton Muth als 2. Vorsitzendem. Einige Jahre später trat Herrmann Becker in diese Rolle und führte die Arbeit weiter.
1957 brachte gleich mehrere Premieren: der erste Umzug nach dem Krieg, das erste Ordensfest und -fast noch wichtiger - die Gründung einer eigenen Tanzgarde unter der Leitung von Frau Quick. Endlich gab es nicht nur Büttenreden und Lieder, sondern auch schwungvolle Beine, präzise Schritte! Ein Bild, das bis heute untrennbar zum KV02 gehört.
Die Garden wurden schnell zum Stolz des Vereins: Sie traten bei Sitzungen auf, führten Umzüge an und verliehen der Fastnacht in Oberhöchstadt Glanz und Eleganz. Während die Herren im Elferrat mit Kappe und Orden strahlten, eroberte die Garde mit Charme und Disziplin die Bühne.
Elferratspräsidenten dieser Jahre waren Heinrich Weis, Christoph Eich und Anton Muth. Sie hielten das närrische Zepter, während die Garden das Publikum begeisterten.
1962 stand dann das erste große Jubiläum an: 60 Jahre KV02 gefeiert mit Festbuch, Ehrensitzung und einem großen Umzug.
1970 übernahm Egon Bach den Vorsitz, unterstützt von Heinrich Jerger als 2. Vorsitzendem. In dieser Zeit entstand etwas, das den KV02 weit über die Grenzen Oberhöchstadts hinaus bekannt machte: Die Theatergruppe „Die Fichtegickel“.
Mit der Fertigstellung des Haus Altkönig im Jahr 1971 hob sich zum ersten Mal der Vorhang mit dem Stück „Der Meisterboxer“. Der Funke sprang sofort über: Die Aufführungen waren ein voller Erfolg, die Schauspieltruppe spielte bald nicht nur vor heimischem Publikum, sondern auch in Steinbach, Oberursel, Schmitten, Rod a. d. Weil, Ballenstedt und sogar im fernen Puttbus auf Rügen.
Die Fichtegickel verbanden Humor mit Lokalkolorit und schafften es, Theater zu einem festen Bestandteil des Vereinslebens zu machen.
Auch andere Traditionen entstanden in diesen Jahren: Der Auftritt im Seniorenheim Hohenwald, ursprünglich nur als Generalprobe für die Fastnachstsitzungen gedacht, wurde zur festen Institution. 1973 trat Karin Bierwerth das Amt der Schriftführerin an, 1976 folgte die erste Kindersitzung und die Fastnacht des KV02 bekam eine neue, junge Bühne.
Ab 1981 übernahm Hans Kaufmann als 1. Vorsitzender und Sitzungspräsident in Personalunion! Ein Mann, zwei Ämter, volle Säle.
1982: passierte etwas, das niemand für möglich gehalten hätte: gestandene Männer, die bisher höchstens beim Wagenbau oder an der Theke geglänzt hatten, tauschten Hammer und Bierglas gegen Tüll und Tanzschritt! Unser Männerballett "Die Dalles Dreamboys" wurden geboren!
1990: 8×11 Jahre KV02 - mit Festzelt für 600 Besucher, zwei Tagen Programm und Stimmung wie im Tollhaus.
1991: Heinz Hölzle wird 1. Vorsitzender, Michael Endres Sitzungspräsident.
Anfang der 90er übernahmen Uwe Hannemann und später Axel Kulick das Amt des 2. Vorsitzenden. Bei den Schriftführern war ordentlich Bewegung drin: Carmen Toschke, Martina Hölzle-Endres, Kora Böswetter, Lavenna Walls und Stefan Laxy gaben nacheinander die Protokolle ab - fast wie ein Staffellauf mit Kugelschreiber.
1998 trat dann Michael Falland an die Spitze als 1. Vorsitzender. Auf der Bühne wechselten die Sitzungspräsidenten: zuerst das Duo Heinecke/Speer, danach Friedel Haag und ab 2000 schließlich Orlando Kieser.
2002 war ein doppelter Meilenstein: Der Verein feierte sein 100-jähriges Jubiläum mit einem Festprogramm, das den Saal oder besser das Festzelt beben ließ und wurde zugleich offiziell gemeinnützig. Damit war klar: Unsere Fastnacht ist mehr als nur Feierlaune! Sie ist ein Stück Brauchtum und Gemeinschaft, das bis heute das Herz von Oberhöchstadt prägt.